TENNIS
Wie die Asse beim Neckar-Cup ihren Gegner beeindrucken und aus dem Rhythmus
bringen wollen
Von
unserem Redakteur
Lars
Müller-Appenzeller
Fußballer
sind so. Am Wochenende hat Borussia Dortmund ein Psychospielchen begonnen. Die
Fußballer des BVB können am Samstag doch noch deutsche Meister werden, den
Seriensieger FC Bayern München abfangen. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim
Watzke sagte, Bayern könne nun im Endspurt „alles verlieren“, Dortmund „alles
gewinnen“. Verlieren, gewinnen – da sind auch die Tennis-Profis, die diese
Woche beim 6. Neckar-Cup in Heilbronn aufschlagen, zu Hause. Greifen auch
Tennisspieler zu Psychotricks?
„Wenn
über mich etwas in der Zeitung geschrieben wird, lese ich das natürlich, weil
es für mich etwas Besonderes ist“, sagt Daniel Masur. „Wenn man jeden Tag in
den Medien ist wie die Bayern- und BVB-Spieler, weiß ich nicht, ob die sich von
solchen Worten beeinflussen lassen.“ Der 24-Jährige aus München steht auf Platz
248 der Weltrangliste und betont, dass es beim Tennis „sehr, sehr fair“ zugehe.
Was nicht heißt, dass Spieler nicht mal doch in die Trickkiste greifen, um den
Gegenüber aus dem Rhythmus zu bringen. „Das bekommst du schon mit, wenn sich
dein Gegner die ganze Zeit ans Bein fasst, dann aber läuft wie ein Wiesel“,
sagt Daniel Masur. Auch beliebt: die Verletzungspause.
Alter
Hase Beispiel Court 1 in Heilbronn am Dienstagmittag. Der 36 Jahre alte
Argentinier Carlos Berlocq hatte den ersten Satz seiner Erstrundenpartie gegen
den Russen Alexey Vatutin mit 3:6 verloren, lag im zweiten Satz 0:3 zurück und
ließ sich an der Schulter behandeln – drei Minuten nach Diagnose des
Physiotherapeuten. Dass der alte Hase die Verletzung vortäuschte, ist natürlich
eine Unterstellung. Für eine taktische Pause wäre es jedenfalls der ideale Zeitpunkt
gewesen. Berlocq verlor so oder so den zweiten Satz mit 1:6.
Yannick
Hanfmann nennt den Italiener Fabio Fognini, der schon mal aufreizend über den
Platz laufe. Auch gebe es manchmal Spieler, die sich bewusst oder unbewusst auf
Diskussionen mit dem Schiedsrichter einlassen. Der 27-jährige Karlsruher sei
aber für derlei sowieso nicht besonders empfänglich: „Ich bin schwerhörig und
bekomme so etwas einfach meistens gar nicht mit.“ Auch der Stuttgarter Yannick
Maden mache sich wegen seines Gegenübers keinen Kopf: „Zu meiner Zeit früher am
College in den USA hatte ich das öfter, da wurden Bälle komisch entschieden.“
Apropos
USA: Der US-Amerikaner Brad Gilbert hatte es einst ohne übertrieben großes
Talent und ohne feine Technik bis auf Platz vier der Weltrangliste sowie 1988
in Seoul zu olympischem Bronze gebracht. 1997 veröffentlichte er ein Buch:
„Winning Ugly. Wie man bessere Gegner schlägt – mentale Kriegsführung im
Tennis.“ Hässlich siegen? Das Buch ist tatsächlich ein lesenswerter
Tennisklassiker, in dem aber keine fiesen Tricks verraten werden. Gilberts
Erfolgsgeheimnis: An sich selber glauben. Hart trainieren. Den Gegner
studieren.
Würde
Brad Gilbert den ehemaligen deutschen Davis-Cup-Spieler Daniel Brands
studieren, er käme ruckzuck zur Erkenntnis: diesen bayerischen Bären kannst du
nicht aus der Ruhe bringen. „Ich schaue auf mich, bin ein Ruhiger, kein
Heißsporn.“ Doch manchmal lasse man sich dann eben doch von der Atmosphäre
beeindrucken. „2010 habe ich bei den French Open auf dem Center Court gegen Jo-Wilfried
Tsonga gespielt, war im fünften Satz Break vor“, erinnert sich der 31-Jährige.
Dann habe das Publikum Landsmann Tsonga zum Sieg getragen. Dass Brands in die
Trickkiste greift? Ausgeschlossen: „Das wäre nicht ich. Ich will auf dem Platz
mit meinen Schlägen gewinnen, nicht anders.“ Daniel Brands schiebt nach: „Wenn
man meine Karriere so anschaut: Vielleicht war ich in manchen Situationen zu
brav.“
Selbst anfeuern Rudi Molleker ist da anders.
Natürlich wolle auch der Neckar-Cup-Sieger von 2018 stets fair, ohne Tricks
gewinnen. „Aber ich feuere mich oft selber an. Das kann den Gegner durchaus aus
dem Konzept bringen.“ So muss man es wahrscheinlich sehen: Hans-Joachim Watzke
wollte mit seinen Worten vermutlich nur sich und den BVB ein bisschen anfeuern.